Mühlburger Brauerei - Geschichte
Seldeneck"sche Brauerei
Standort: Mühlburg Status: geschlossen Stand: 19.12.2023
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Bild 07: Blick von der Fabrikstraße auf die ehemaligen Kellereigebäude.


Bild 03: Das alte Sudhaus - zeitweilig auch von der Firma Kammer-Kirsch und später vom Kulturzentrum Tempel genutzt.


Bild 01: Emblem der Mühlburger Brauerei um 1908.


Bild 02: Das ehemaliges Herrschaftshaus der Freiherren von Seldeneck, heute Verwaltungsgebäude der Firma Kammer-Kirsch.


Bild 04: Das neue Sudhaus von 1889 - heute Kulturzentrum Tempel.


Bild 05: Hof der ehemaligen Brauerei. Links die Mauer zum seldeneck'schen Garten.


Bild 06: Front des einstigen Bier- und Eiskellers an der Hardtstraße - Heute Toreinfahrt der Kammer-Kirsch GmbH.

  Die Brauerei wurde 1770 von Prinz Wilhelm Ludwig von Baden (1732 - 1788), dem Bruder des späteren Großherzogs Karl Friedrich von Baden, gegründet und war damit bis zu ihrer Schließung die älteste Brauerei Karlsruhes. Zunächst war auf dem Gutshof in Mühlburg 1769 eine Krappfabrik errichtet worden. Ab etwa 1771 wurden auch Trinkbranntweine hergestellt. Grund für die Einrichtung einer Brauerei war vor allem der marode Zustand der damaligen Brauerei des markgräflichen Kammerguts Gottesaue, die bis dahin einziger Bierlieferant der Region gewesen war. 1774 pachtete Wilhelm Ludwig die Gottesauer Brauerei von seinem Bruder Karl Friedrich, um diese dann wenig später stillzulegen und damit die einzige Konkurrenz seiner neuen Brauerei in Mühlburg auszuschalten.

Wilhelm Ludwig von Baden war mit der Bürgerlichen Wilhelmine Christine Schortmann (1740 - 1804) verheiratet. Um diese in den Adelsstand zu erheben, wurde ihr der Name "Freiin von Seldeneck" (nach einem erloschenen fränkischen Adelsgeschlecht) verliehen. Die neu erworbenen Mühlburger Besitzungen sorgten zugleich für einen standesgemäßen Herrschaftssitz. Aus dem so entstandenen Seldeneck'schen Freigut heraus bildete sich schließlich auch der Name Seldeneck'sche Brauerei. Nach dem Tod Wilhelm Ludwigs 1788 führte seine Witwe den Betrieb über viele Jahre erfolgreich weiter.

Die Brauerei blieb auch bis zum Schluß im Besitz der Familie von Seldeneck, die im angrenzenden Herrschaftshaus an der Kaiserstraße (ab 1886 Hardtstraße) residierte (Bild 02). Insbesondere ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Freigut und Brauerei zahlreichen baulichen Erweiterungen und Veränderungen unterzogen. 1863 wurde zur Kaiserstraße hin ein Eiskeller angelegt (Bilder 06 und 07). Ihre Blütezeit erlebte die Brauerei unter Wilhelm Rudolf Freiherr von Seldeneck (1849 - 1925), der 1889 das alte Sudhaus umbauen (Bild 03) und nebenan zugleich ein neues Sudhaus im Stil eines gotischen Kathedralbaus errichten ließ (Bild 04). Auch auf dem Gebiet der Brauereitechnik übernahm die Seldenecksche Brauerei Mitte des 19. Jahrhunderts eine Vorreiterrolle. 1864 schaffte sie als erste badische Brauerei eine Dampfmaschine an. 1890 folgte der Einbau von Lindeschen Eismaschinen. Der Bierabsatz steigerte sich von 8500 hl im Jahre 1861 auf 41.100 hl im Jahre 1894.

1900 wurde das bis dahin immer noch als Freiherrliches Gut geführte Unternehmen in die Aktiengesellschaft Mühlburger Brauerei, vorm. Freiherrlich von Seldeneck'sche Brauerei umgewandelt. Hauptaktionäre waren Wilhelm Rudolf von Seldeneck und dessen Kinder. In den kommenden Jahren wurde vor allem die Branntweinherstellung weiter ausgebaut. Zu diesem Zweck erwarben die Seldenecks das Gut Möllhof bei Gengenbach. Im Jahr 1912 zählte die Mühlburger Brauerei 72 Beschäftigte.

1921 kaufte die Brauerei Sinner in Grünwinkel die Braurechte der Mühlburger Brauerei AG auf und ließ ein Brauverbot auf dem gesamten Areal eintragen. Eine Konservenfabrik übernahm die Produktionsstätten. Die Seldenecks betrieben unterdessen auf Gut Möllhof die Herstellung von Edelbranntweinen unter dem Namen Freiherrlich von Seldeneck'sche Kellerei weiter. Wilhelm Rudolfs Sohn Hans Wilhelm Freiherr von Seldeneck (1878 - 1934) erwarb 1925 in Gengenbach eine Weingroßhandlung mitsamt Obst-Verschlussbrennerei. Das Geschäft wurde nach Hans von Seldenecks Tod zunächst von dessen Witwe und später von dessen Neffen Herbert Jay von Seldeneck weitergeführt und in eine GmbH umgewandelt. An die Seldeneck'sche Branntweinherstellung erinnert noch heute die von der Destillerie Kammer-Kirsch vertriebene Obstbranntmarke "Freiherr von Seldeneck".

Heute gehört ein Teil des ehemaligen Brauereigeländes in Mühlburg mit zahlreichen erhaltenen Gebäuden - darunter dem alten Herrschaftshaus (Bild 02) - zu der aus Oppenau stammenden Obstbrand-Destillerie Kammer-Kirsch, die hier zunächst eine Zweigniederlassung gründete und später hier auch ihren Sitz nahm (Bild 07). Das "Seldeneck'sche Schlößchen", das sich südlich des Herrschaftshauses vor der Kellerei an der Hardtstraße befand, wurde 1965 abgerissen. Der größte Teil des Geländes, auf dem sich auch das ehemalige "Neue Sudhaus" befinden, werden seit 1984 vom Kulturzentrum Tempel genutzt. Das "Alte Sudhaus" gehört seit 2007 einem privaten Besitzer.

Zum Teil haben die alten Kellereianlagen in Mühlburg heute wieder zu ihrer alten Bestimmung zurückgefunden. Seit 2006 wird bei der Destillerie Kammer-Kirsch der erste deutsche Single Malt Whiskey gebrannt und in Holzfässern im alten Seldeneck'schen Eiskeller gelagert. Die benötigte Bierwürze wird von der Brauerei Rothaus geliefert, die den Whiskey dann auch unter dem Label "Black Forest" in limitierter Stückzahl vertreibt.

Die Familie von Seldeneck lebt heute weit verstreut in Deutschland, Ungarn und den USA. Bekanntester Nachkomme dürfte die 1901 in Karlsruhe geborene Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz sein. Sie war die Enkelin des oben schon erwähnten letzten Mühlburger Brauereidirektors Wilhelm Rudolf von Seldeneck. Während ihrer Ausbildung im damaligen Viktoria-Pensionat am Durlacher Tor in Karlsruhe 1918/19 wohnte sie bei ihrem Großvater im Seldeneck'schen Herrschaftshaus. An verschiedenen Stellen ihres Werkes schildert Marie Luise Kaschnitz unter anderem auch ihre Kindheitserinnerungen an den Garten der Großeltern in Mühlburg, wo sie des öfteren ihre Ferien verbracht hatte. Auch die Brauerei wird dort kurz erwähnt.


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